Die sephardische Sängerin Yasmin Levy: "In meinen Liedern gibt es keinen Kampf" | Qantara.de (2024)

Ein natürliches, friedliches Miteinander von Juden und Arabern – das ist auch in Jerusalem möglich, glaubt Yasmin Levy. Die 32-jährige Sängerin versteht sich als Botschafterin einer multikulturellen Metropole. Stefan Franzen sprach mit ihr.

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​​Zu Beginn ein wenig Geschichte: Im maurischen Spanien hatten die Sepharden als jüdische Volksgruppe über Jahrhunderte friedlich mit den Arabern und Christen zusammen gelebt. Nach der Reconquista mehrten sich die Repressalien gegen die spanischen Juden. 1492 wurden sie von der Krone vor die Wahl gestellt: entweder Konvertierung zum katholischen Glauben oder der Gang ins Exil.

Seit ihrer Vertreibung haben die Sepharden in Nordafrika und auf dem Balkan, vor allem aber in der Türkei, eine neue Heimat gefunden. Ihre Lieder in der Ladino-Sprache brachten sie mit – und sie haben je nach geographischer Umgebung neue Färbungen angenommen.

Osmanisches Reich als Refugium für Juden

"Das Osmanische Reich hat die Sepharden damals mit offenen Armen empfangen", betont Yasmin Levy. "Mein Vater wurde in einer großen sephardischen Community nahe Izmir geboren und kam dann sehr jung nach Palästina."

Im Laufe seines Lebens wurde der Kantor ein bedeutender Liedersammler, Grundlage für das Repertoire seiner Tochter. Vor allem über die Bücher hält Yasmin den Kontakt zu ihm, denn er verstarb, als sie noch nicht einmal zwei war. Die Mutter, ebenfalls musikbegeistert, zog sie im Jerusalemer Viertel Baaka groß, und dort lebt sie auch heute noch.

"Ich will keine Heuchlerin sein", sagt sie nachdenklich. "Als Israel 1948 gegründet wurde, haben die arabischen Bewohner ihre Häuser verlassen, und die Juden zogen hier ein. Die Atmosphäre ist geblieben, die Architektonik, und alles atmet noch in der muslimischen Kultur. Für mich gibt es diese Trennung zwischen 'hier die Juden, da die Araber' nicht. Ich kann Arabisch schreiben, lesen und sprechen, werde am Flughafen für eine Araberin gehalten. Und noch heute habe ich muslimische Freunde, die zu meiner Mutter auch 'Mama' sagen."

Den Weg zur eigenen Stimme hat sie spät gefunden, über eine Freundin der Mutter in Spanien, die ihr Gesangstalent entdeckte. Zunächst suchte sie ihre Vorbilder im Flamenco.

"Doch ich spürte eine andere Berufung in mir. Die sephardische Kultur war noch vor zehn Jahren eine Nische. Wenn man in Jerusalem zu einem Konzert mit sephardischen Liedern ging, hat man immer dieselben alten Leute gesehen. Da war mir klar: In 15 Jahren wird die Ladino-Sprache ausgestorben sein, und niemand wird mehr diesen Liedern zuhören."

"Aber das ist kein museales Material mit 500 Jahre altem Staub", erklärt Levy mit Begeisterung. "Das sind frische Lieder mit Leidenschaft und mit Seele! Meine Mission und auch meine Verpflichtung meinem Vater gegenüber war es, sie in die Welt hinauszutragen – und zwar auf eine Weise, die alle anspricht". Dafür entwickelte sie eine moderne Lesart dieser bislang eher strengen Musik.

Iranische, türkische, jüdische Musiker in einer Band

Wie das klingt, kann man auf ihrem neuen Album "Mano Suave" nachhören, das im Januar erscheinen wird.

Die multikulturell durchwirkte Geschichte der Sepharden wird in ihren Klängen logisch und bewegend zugleich fortgeschrieben. Denn in ihrer Band hat Yasmin Levy Musiker aus dem Iran, aus Israel und Paraguay, aus der Türkei und Spanien aufgenommen, und in den Arrangements mischen sich nahöstliche, balkanische und jüdische Elemente.

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​​"Es ist für mich wichtig, dass ich in meiner Band mit Musikern von ganz unterschiedlichem Background zusammenarbeiten kann. Die Muslime sind die besten Musiker überhaupt. Ich bin mit Muslimen und ihrer arabischen Musik aufgewachsen. Deshalb war es für mich auch eine Herausforderung, ein Duett mit Natacha Atlas aufzunehmen, die ursprünglich aus Ägypten stammt. Über ein altes Lied der Beduinen haben wir im Studio zusammengefunden und sind während der Aufnahmen dicke Freundinnen geworden."

Sie sei sich bewusst, dass sie die Welt nicht ändern könne, sagt Yasmin Levy. Aber mittels ihrer Musik will sie ein "klitzekleines" Zeichen auch für die Medien setzen, die scheinbar ausschließlich das Bild von Gewalt vermitteln, wenn es um Berichterstattung aus ihrer Heimatstadt geht:

Das jüdisch-muslimische Erbe von Al-Andalus

"Natürlich haben wir hier die radikalsten religiösen Leute, die man sich vorstellen kann. Aber ich sehe auch eine andere Realität Jerusalems: Menschen mit verschiedenen Religionen und Kulturen, die zusammen leben. In meiner Welt gibt es keinen Platz für Krieg und Kampf. Ich wünschte wirklich, wir könnten mehr Respekt füreinander aufbringen in dieser Stadt der verschiedenen Weltanschauungen."

"Die Ladino-Lieder sind dafür ein gutes Medium, denn sie entstanden in einer Zeit, in der die Juden in Frieden mit Muslimen in Spanien lebten. Wir müssen uns daran erinnern, dass es eine sehr lange Zeit des gegenseitigen Respekts gab. Und es gibt keinen Grund, warum wir dies nicht heute ebenso tun sollten."

Stefan Franzen

© Qantara.de 2007

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Website von Yasmin Levy

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